Am 10. und 11. Oktober veranstaltete paho. Zentrum für Papier in den Räumen der Kirchengemeinde in Sieversdorf den Workshop „Papier Licht Installation“. Er war ein erster Schritt im Hinblick auf ein Vorhaben „PAPIER+LICHT. Kunstinstallationen in Kirchen der Prignitz und des Havellands“, das paho als jährliche Kunstaktion plant. Ziel des Workshops war es, sich dem Thema künstlerisch zu nähern, gestalterische Fragen zu diskutieren, den Kirchenraum in Bezug auf Geschichte und gesellschaftliche Struktur, religiösen Inhalt oder konstruktive Beschaffenheit zu untersuchen und Ideen und Entwürfe mit konkretem Ortsbezug zu erarbeiten. Der Workshop verstand sich gleichzeitig als Angebot an bildende Künstler:innen, ihr eigenes Spektrum in Richtung architekturbezogener Arbeit mit Papier und Licht zu erweitern. Die Leitung lag in den Händen des Lichtkünstlers Bernd Schulz.
Zehn bildende Künstler:innen, fast ausschließlich aus der Region, nahmen an dem Workshop teil. Zu Beginn zeigte Bernd Schulz Werke internationaler Lichtkunst, die Impulse gaben und den Raum für eigene Ideen öffneten. Im Anschluss erkundeten die Teilnehmer:innen die Sieversdorfer Kirche in unmittelbarer Nachbarschaft. Der barocke Putzbau wurde Mitte des 18. Jahrhunderts errichtet, er unterteilt sich in Kirchenschiff und quadratischen Westturm mit Zwiebelhaube. Durch seine klar gegliederte Architektur eignet er sich gut für gestalterische Überlegungen. Überraschend der reich ausgestattete Innenraum mit doppelgeschossiger Empore, bauchig geschwungener Kanzel und Orgelempore. Die Teilnehmer:innen ließen die Architektur des Innen- und Außenraums auf sich wirken und begannen dann, mit den bereitgestellten Materialien – verschiedensten Papieren und Pappen – zu arbeiten. Sie installierten die entstandenen Formen temporär im Kirchenraum und untersuchten die Wirkung von natürlichem und künstlichem Licht.
Martina Brömme arbeitete zunächst mit Weidenzweigen, widmete sich dann aber einer Komposition aus Pappringen und Transparentpapier. Jutta Dücker entwickelte eine Form aus kleinteiligen Flächen, die den Umriss der Kanzel nachzeichnete. Susanne Krell erarbeitete ein Modell für eine Arbeit, die Bezug zum Ort der Hexenverbrennungen nehmen und die Struktur von Feuer an der Kassettendecke abbilden soll. Katrin Mason Brown installierte einen papierenen Strahlenkranz und Lichtspot unter einem Leuchter und erzeugte so eine große, sich langsam drehende und überschneidende Schattenform an der Decke. Ellen Mäder-Gutz gestaltete für die Rosette über der Eingangstür eine Blüte aus transparentem Papier, deren Überlappungen Schattierungen bildeten. Doreen Stenzel experimentierte mit Federstrukturen, die sie auf verschiedene Flächen im Raum projizierte. Barbara Toepper-Fennel und Peter Fennel entwickelten ihre Ideen ausgehend von fotografischen Arbeiten, zum Beispiel für den Treppenbereich der Kirche. Martina Winterle experimentierte mit hohen schmalen Papierkegeln im Kirchenschiff. Bernd Schulz unterstützte die Teilnehmer:innen individuell bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Entwürfe. Nach Einbruch der Dunkelheit zeigte er mit Lichtkanone und Nebelmaschine, wie sich Formen aus Licht in den Hof und die Landschaft zeichnen lassen.
Am nächsten Tag wurde auch der Hohenofener Kirche ein Besuch abgestattet. Sie beeindruckte in ihrer Schlichtheit und ließ kreative Ideen sprudeln. Deutlich wurde aber vor allem, wie die Unterschiedlichkeit der beiden Ortsteile Sieversdorf und Hohenofen sich in ihren Sakralbauten widerspiegelt: einerseits Sieversdorf als gutsituiertes Bauerndorf mit entsprechend opulent ausgestatteter Kirche, andererseits Hohenofen als Industriedorf mit im Volksmund genannter „Gebetsscheune“ im Ensemble von Industriearbeiterhäusern und Fabrikanlage. Doch die Verschiedenheit beider Orte und ihrer Kirchen macht einen besonderen Reiz aus und weckte die Lust, sich dem in einem nächsten Projekt zu widmen.
Der Workshop war für alle Beteiligten eine bereichernde Erfahrung, gerade auch durch den Austausch und die Zusammenarbeit von Künstler:innen aus der Region und darüber hinaus. Er wurde gefördert durch den Brandenburgischen Kulturbund e.V. und durch die Kirchengemeinde Sieversdorf-Hohenofen, Dreetz und Großderschau. Nächste Schritte, um das Vorhaben bekanntzumachen und weiterzuentwickeln, sind geplant.
Foto oben: © Bernd Schulz